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Interview mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO

Interview mit Oerlikon Verwaltungsrats­präsident Michael Süss (MS) und CEO Roland Fischer (RF).

Interview mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO

Herr Fischer, wo sehen Sie die Höhepunkte des Jahres 2021?

RF: Wir haben 2021 eine starke Performance im Einklang mit unserer Prognose erbracht, die nach den Halbjahresergebnissen angehoben wurde. Wir haben das Unternehmen vergrössert und 2021 eine starke Margenexpansion erzielt. Wir erwarten, dass sich das profitable Wachstum im Jahr 2022 fortsetzt.

Im operativen Geschäft haben wir gut gewirtschaftet, die Kosten effizient gemanagt und Engpässe in der Lieferkette erfolgreich abgefangen, sodass das EBITDA über dem Vor-Pandemie-Niveau lag. Ausserdem haben wir zwei wertsteigernde Akquisitionen, die unser Portfolio sinnvoll ergänzen, erfolgreich abgeschlossen, unser Geschäft weiter diversifiziert und auch in puncto Nachhaltigkeit hervorragende Fortschritte gemacht. Wir konnten erneut beweisen, dass wir die richtige Strategie haben, das richtige Geschäftsmodell und die richtigen Mitarbeitenden. Die ausgezeichnete Performance für das Gesamtjahr untermauert das.

Der Bestellungseingang des Konzerns belief sich auf CHF 2,8 Mrd. Das bedeutet einen Anstieg von 24,8% im Vergleich zum Vorjahr (2020: CHF 2,2 Mrd.). Der Konzernumsatz stieg um 17,3% auf CHF 2,65  Mrd. (2020: CHF 2,3 Mrd.). Das operative Konzern-EBITDA erhöhte sich um 38,5% auf CHF 447 Mio., was einer Marge von 16,9% entspricht  (operative  EBITDA-Marge  2020:  14,3%).  Das unbereinigte EBITDA betrug CHF 444 Mio. oder 16,7% des Umsatzes. Im Vergleich zu 2020 war das Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten um über 300% höher und lag bei CHF 162 Mio. (2020: CHF 38 Mio.). Der Konzerngewinn für das Jahr 2021 war mit CHF 168 Mio. signifikant höher (2019: CHF 38  Mio.).  Folglich beläuft sich der Gewinn je Aktie auf CHF 0.50. Mit einer Eigenkapitalquote von 33% bleibt die Finanzlage des Konzerns weiterhin stark.

Welche wesentlichen Leistungen haben das Jahr geprägt?

RF: Unsere Polymer Processing Solutions Division erzielte Höchstwerte bei Bestellungseingang und Umsatz und konnte die EBITDA-Marge deutlich steigern. Die Akquisition von INglass war ein weiterer Erfolg: Damit beschleunigten wir die Umsetzung unserer Strategie, das Chemiefasergeschäft  auf  den  wachstumsstarken Markt der Polymerverarbeitung auszuweiten. Die aus der Akquisition  hervorgegangene neue Marke Oerlikon HRSflow zeichnet sich durch ihre technologisch führenden, innovativen HRSflow-Heisskanalsysteme aus. Diese werden in der Automobil-, Konsumgüter- und Haushaltsgeräteindustrie sowie in den Bereichen Verpackung, Abfallwirtschaft, Bau und Transport eingesetzt.

Unsere Surface Solutions Division verzeichnete gute Topline-Ergebnisse, aufgrund starker Umsätze und einer robusten Geschäftsentwicklung im Zuge der allmählichen Erholung der Werkzeug-, Automobil-  und allgemeinen Industrie.  Die Luft- und Raumfahrtindustrie konnte sich von der Pandemie leicht erholen, allerdings von einer sehr niedrigen Basis aus. Unsere erfolgreichen Kostensenkungsmassnahmen brachten eine bemerkenswerte Verbesserung des operativen EBITDA der Division um 30%.

Auch im Bereich Oberflächenlösungenkonnten wir eine wichtige Akquisition abschliessen: Coeurdor ist ein führender Komplettanbieter von Komponenten für die schnell wachsende Luxusgüterbranche. Die Kreativität und Agilität von Coeurdor und ihre Fähigkeit, Kundenwünsche im höchst anspruchsvollen Luxusgütermarkt rasch umzusetzen, sind eine starke Ergänzung zu unserem bestehenden Angebot im High-End-Deko-Markt.

Welche Marktfaktoren haben Oerlikon 2021 beeinflusst?

RF: Wie viele andere Unternehmen waren auch wir mit Lieferkettenproblemen, Logistik- und Energieengpässen konfrontiert, etwa der Energiekrise in China. Es gelang uns, die Auswirkungen abzufedern, sodass wir nur geringfügig von diesen Entwicklungen betroffen waren. Unsere globalen Produktions-, Service- und Lieferkettennetze halfen dabei, die Störungen für die Produktion und Kundenlieferungen zu minimieren. Durch sorgfältiges Abwägen zwischen Ländern und Industriezweigen und die Umverteilung von Ressourcen konnten wir die meisten Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen und den Lieferungen nachkommen. Zudem kam uns die schnellere Erholung in bestimmten Ländern und Industriezweigen zugute.

Wir gehen davon aus, dass sich die Märkte allmählich erholen, wenn die Länder die mit COVID-19 verbundenen Beschränkungen lockern bzw. aufheben. Auch die Lieferkettenprobleme dürften nur vorübergehend und in den nächsten Monaten überwunden sein. Wir sind gut aufgestellt, um mit der Erholung der Märkte Chancen zu ergreifen, und werden unsere Kosteneinsparungsmassnahmen fortführen, um unsere Marge weiter zu verbessern.

Welche Fortschritte hat Oerlikon in Bezug auf Nachhaltigkeit gemacht?

RF: Auf die Veröffentlichung unseres ersten Nachhaltigkeitsberichts reagierten unsere Stakeholder sehr positiv. Viele Vorteile im Hinblick auf Nachhaltigkeit, die wir unseren Kunden bieten, waren bereits bekannt, da Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil unserer Forschung und Entwicklung ist. Der Bericht stellt die von uns umgesetzten Massnahmen transparent dar und bekundet öffentlich unsere Verpflichtung, Nachhaltigkeit in unseren Technologien, Lösungen und im operativen Geschäft zu fördern.

Unser diesjähriger Nachhaltigkeitsbericht wird am 30. März veröffentlicht. Wir sind stolz darauf, dass wir trotz der Herausforderungen durch die Pandemie Fortschritte gemacht haben. Beispielsweise verfügen unsere energieintensivsten Standorte, die 50% unseres gesamten Energieverbrauchs ausmachen, alle über Energiemanagementsysteme. Und wir organisierten unsere erste Diversity-Konferenz unter dem Motto “I See You”, um das Bewusstsein für Diversität, Gleichberechtigung und Inklu-sion zu stärken. Die Konferenz zählte erfreulicherweise über 4 500 Teilnehmende.

Was bedeuten diese guten Ergebnisse für die Dividende und den Ausblick?

MS: Der Verwaltungsrat wird der Generalversammlung 2022 eine stabile ordentliche Dividende von CHF 0.35 je Aktie vorschlagen.

Wir werden unsere Strategie fortsetzen, unser Geschäft in Wachstumsmärkte zu expandieren und dabei die zunehmende Erholung der Märkte nutzen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Kostenkontrolle. Zusätzlich werden wir weiterhin allfällige Auswirkungen der kurzfristigen Lieferengpässe und der pandemiebedingten Schwierigkeiten aktiv managen und mildern. Wir gehen davon aus, dass sich das profitable Wachstum im Jahr 2022 fortsetzen wird, und erwarten einen Umsatz von rund CHF 2,9 Mrd. und eine operative EBITDA-Marge von rund 17,5%.

Können Sie die Änderungen im Verwaltungsrat und in der Konzern leitung kommentieren?

RF: Zur Stärkung der operativen Geschäfte und unserer Kundenorientierung haben wir Markus Tacke, CEO der Surface Solutions Division, und Georg Stausberg, CEO der Polymer Processing Solutions Division und Chief Sustainability Officer, am 1. Januar 2021 in die Konzernleitung berufen.

Wir haben auch darüber informiert, dass Group CTO Helmut Rudigier ausscheidet. Helmut stiess 1986 zu Oerlikon und war jahrelang der Technologieexperte des Unternehmens, vor allem im Bereich innovativer Oberflächenlösungen. Er leistete einen grossen Beitrag zu unserer Forschung und Entwicklung, unseren innovativen Technologien und im Managementteam. Wir danken Helmut für sein wertvolles Engagement für Oerlikon und seine Technologiekompetenz und wünschen ihm für seinen Ruhestand alles Gute. Um Forschung und Entwicklung noch stärker an den Markt- und Kunden-bedürfnissen auszurichten, sind ab dem 1. Januar 2022 die CTOs der Divisionen für die Leitung der FuE ihrer jeweiligen Geschäftsbereiche zuständig.

MS: Auf Ebene des Verwaltungsrats hat Suzanne Thoma angekündigt, nicht mehr zur Wiederwahl auf der Generalversammlung (GV) 2022 zur Verfügung zu stehen. Suzanne trat dem Verwaltungsrat im Jahr 2019 bei und ihre weitreichende Branchenerfahrung und ihre unternehmerischen Fähigkeiten waren sehr geschätzt. Im Namen des Verwaltungsrats möchte ich Suzanne für ihr grosses Engagement und ihren Beitrag für Oerlikon herzlich danken und ihr alles Gute für die Zukunft wünschen.

Als ihren Nachfolger wird der Verwaltungsrat bei der nächsten Generalversammlung am 5. April 2022 Zhenguo Yao zur Wahl vorschlagen. Alle anderen Verwaltungsratsmitglieder stellen sich zur Wiederwahl.

Sie haben heute auch eine Neustruktu­rierung der Konzernführung angekündigt. Können Sie uns bitte die Gründe dafür erläutern?

RF: Nach sechs Jahren an der Spitze des Unternehmens habe ich beschlossen, aus privaten Gründen zurückzutreten.

Ich bin sehr stolz darauf, was wir seit meinem Eintritt als CEO erreicht haben und wie wir das Unternehmen zu einem weltweit tätigen Engineering- und Technologie-Konzern mit einer klaren strategischen Ausrichtung und Organisation entwickelt haben. In den vergangenen zwei Jahren hat die Surface Solutions Division erfolgreich Kostenmassnahmen umgesetzt und eine Transformation eingeleitet, um die Regionen zu stärken und näher an den Schlüsselmärkten zu sein. Die Polymer Processing Solu­tions Division hat ihre strategische Diversifizierung in Non-Filament-Märkte erfolgreich fortgesetzt. Meine Priorität ist es nun, einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, damit das Unternehmen weiterhin ein globaler Marktführer in den Bereichen moderne Werkstoffe, Oberflächentechnologie und Polymerverarbeitung bleibt.

MS: Ich bedauere Rolands persönliche Entscheidung sehr, aber ich verstehe und respektiere sie. Im Namen des Verwaltungsrats möchte ich ihm unseren tiefen Dank für seine ausserordentlichen Leistungen aussprechen. Er hat entscheidend zum erfolgreichen Wandel von Oerlikon beigetragen.

Nach Rolands Entscheidung haben wir verschiedene Führungsmodelle geprüft. Unsere beiden Divisionen unterscheiden sich voneinander. Sie bedienen unterschiedliche Kunden in unterschiedlichen Branchen und unterscheiden sich auch in ihrem Wachstumspotenzial. Mit dem Execu­tive Chair-Modell erhalten die CEOs der Divisionen mehr Flexibilität für ihre Entscheidungen. Dadurch können sie in ihren Geschäftsaktivitäten schneller agieren und somit nachhaltiges Wachstum sicherstellen.

Wie wird das neue Executive Chair­ Modell funktionieren?

MS: Die beiden jetzigen CEOs der Divisionen, Markus Tacke und Georg Stausberg, haben auch weiterhin die operative Kontrolle über und die Verantwortung für ihre jeweiligen Bereiche. Wie erwähnt, wird das neue Managementmodell ihnen zusätzliche Agilität und Schnelligkeit in der Umsetzung verschaffen, um ihr Geschäft zu führen und auszubauen.

Ich werde die Position als Executive Chair übernehmen und somit für sämtliche Themen der Unternehmensführung auf Konzernebene verantwortlich sein, sowie die Konzernleitung führen, zusätzlich zu meiner Rolle als Verwaltungsratspräsident von Oerlikon.

Die Konzernleitung trägt bei sämtlichen organisatorischen und divisionsübergreifenden Belangen die Verantwortung für eine abgestimmte und einheitliche Leitung auf Konzernebene.

Wie können Sie im Executive Chair­-Modell die Good Governance sicherstellen?

MS: Um unsere Corporate Governance weiter zu stärken, werden wir einen Lead Director und ein neues Governan­ce Committee auf Verwaltungsratsebene einsetzen.

Ein gewähltes unabhängiges Mitglied des Verwaltungsrats wird zum Lead Director ernannt, der auch den Vorsitz des neu geschaffenen Governance Committee übernimmt. Dieses setzt sich mehrheitlich aus unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungsrats zusammen. Der Lead Director wird mit Unterstützung des Governance Commit­tees dafür verantwortlich sein, angemessene Kontrollmechanismen zu gewährleisten.

Vorbehaltlich der Wiederwahl auf der nächsten Generalversammlung wird Paul Adams zum Lead Director und Vorsitzenden des Governance Committee, und Gerhard Pegam und Zhenguo Yao zu Mitgliedern des Governance Committee ernannt. Ausserdem werde ich bei der nächsten Generalversammlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien von Good Corporate Governance nicht mehr als Mitglied für das Human Resources Committee vorgeschlagen.

Möchten Sie Ihren Ausführungen abschliessend noch etwas hinzufügen?

Beide: Wir danken allen unseren Mitarbeitenden, dem Managementteam und unseren Kollegen im Verwaltungsrat für ihr Engagement und ihren Einsatz im Jahr 2021. Ein weiteres Dankeschön geht an unsere Partner und Kunden für ihr Vertrauen in unsere Dienstleistungen, Lösungen und Technologien, und an unsere Aktionärinnen und Aktionäre für ihre zuverlässige Unterstützung und ihr Vertrauen in Oerlikon.

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