Wo setzt Oerlikon Prioritäten, um die Nachhaltigkeitsziele für 2030 zu erreichen?
Georg Stausberg: Jene Standorte, die für 50 % unseres gesamten Energieverbrauchs stehen, haben bereits ein Energiemanagement-System nach Oerlikon-Standard oder nach ISO 50001; alle anderen folgen sukzessive bis 2030. Das ist eine sehr wichtige Massnahme, um unser Ziel zu erreichen. Andererseits soll unser Unternehmen gleichzeitig weiter wachsen. Mehr Produktion bedeutet aber auch mehr Energieverbrauch. Es geht also darum, gezielt Massnahmen zu setzen, um diesen zu senken: Verschwendung eliminieren, Maschinen erneuern und auf nachhaltige Energiequellen wie Photovoltaik und Ökostrom setzen.
Sven Hicken: Da kann ich an das Beispiel von vorhin anknüpfen, denn unsere Bemühungen reichen bis hin zum Anlagenbau. Im Hinblick auf den Energieverbrauch bzw. die Energieeffizienz ist die Frage, wie lange der Beschichtungsprozess dauert, und wie hoch der Ressourcenverbrauch dabei ist, wesentlich – nicht zuletzt auch für die Kosten. Für uns als Anbieter von Beschichtungsservices ist das ebenso wichtig wie für unsere Kunden, die unsere Maschinen im Einsatz haben.
Wie misst Oerlikon seinen ökologischen Fussabdruck?
Georg Stausberg: Es ist für uns als Serviceanbieter und Anlagenbauer tatsächlich kaum möglich zu sagen, wieviel Umsatz wir mit nachhaltigen Lösungen generieren. Bisher gibt es dafür noch keine Industriestandards. Wir müssen also unsere Standards selbst definieren, womit sich intern ein ganzes Projektteam beschäftigt. In der Zwischenzeit berichten wir deshalb nur, was wir tatsächlich messen können.
Beschichtungen leisten grundsätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da sie entweder die Lebensdauer von Bauteilen verlängern oder das Gewicht reduzieren. Darüber hinaus trägt die Effizienz unserer Anlagen, z. B. in Bezug auf Energie- und Wasserverbrauch und Emissionen, ebenfalls zur Nachhaltigkeit bei. Zu beiden Themen haben wir gute Vergleichswerte und können den Vorteil auch quantifizieren.
Wenn es aber um Leichtbau-Komponenten für Flugzeuge und Autos geht, wird die Messbarkeit schon schwieriger. So ermöglicht eine Beschichtung von Oerlikon zwar beispielsweise, dass Treibstoff in einer Flugzeugturbine mit höheren Temperaturen und damit besser verbrannt wird, was den Kerosinverbrauch reduziert. Doch unser Kunde, der Hersteller der Turbinenschaufel, profitiert davon nicht direkt. Die Auswirkung wird erst in der zweiten oder sogar erst in der dritten Stufe der Lieferkette erkennbar.
Welchen Beitrag leistet Oerlikons F&E zu den Nachhaltigkeitszielen?
Sven Hicken: Da geht es einerseits um ganz klassische Themen: Wie kann man den Energieverbrauch eines Flugzeugs senken? Welchen Einfluss haben alternative Kraftstoffe, z. B. Wasserstoff, auf Motorenkomponenten, und wie müssen Schichten dafür beschaffen sein? Oder: Mit welchen Beschichtungen kann man Verbrauchsstoffe wie Schmier- oder Kühlmittel überflüssig machen?
Zudem beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Elektromobilität. Wir sind traditionell stark bei Beschichtungen von Komponenten für Verbrennungsmotoren, nun aber brauchen unsere Kunden verstärkt Lösungen für alternative Antriebe. Auch hier können Schichten nicht nur Komponenten schützen, sondern sogar andere Materialien ersetzen, zum Beispiel Dämmstoffe.
Woran forscht Oerlikons F&E langfristig – Stichwort 2030?
Sven Hicken: Für uns Forschende eröffnet das Thema Nachhaltigkeit völlig neue, extrem spannende Betätigungsfelder. Zum Beispiel im Bereich Energieerzeugung: In stationären und mobilen Brennstoffzellen wird mittels eines chemischen Prozesses aus Wasserstoff Energie erzeugt; hierbei spielen Beschichtungen eine wichtige Rolle. Und wir beschäftigen uns mit Feststoff-Batterien, denn die Achillesferse der Elektromobilität ist heute noch die Batterie. Mit Feststoff-Batterien könnte man die gespeicherte Energiemenge pro Volumen deutlich erhöhen. Eine Möglichkeit besteht darin, statt wie heute mit Flüssigkeit zukünftig mit Pulver zu arbeiten – für uns als Hersteller von Metallpulvern natürlich ein hochinteressantes Forschungsfeld!
Herzlichen Dank für das Gespräch!