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Das Auto der Zukunft trägt immer mehr Textilien

Remscheid/Frankfurt, 05. Mai 2015 – Jedes Auto trägt schon heute rund 30 Kilogramm Textilien, gibt das deutsche Forschungskuratorium Textil an. Und der Trend nimmt zu, denn leistungsfähige und intelligente Fasern, Garne und Verbundwerkstoffe übernehmen im Zeitalter des Leichtbaus immer mehr Funktionen rund um Komfort, Sicherheit, Akustik und Kraftstoffeinsparung. Diesen attraktiven Zukunftsmarkt bedient auch das Segment Manmade Fibers des Schweizer Technologiekonzerns Oerlikon – mit Highend-Lösungen zur Herstellung technischer Qualitätsgarne. Vom 4. bis 7. Mai 2015 stellt der Maschinen- und Anlagenbauer auf der Techtextil eine Vielzahl von Technologien zur Produktion technischer Garne, Fasern und Vliesstoffe vor. Neueste Entwicklungen werden auf dem 90 m² großen Messestand in Halle 3, B06, auch in virtueller Darstellung mittels eines innovativen 3D Showrooms präsentiert.

Fig 1_IDY_safety_belt_seatbelt: IDY Sicherheitsgurt – Bei der Herstellung von Gurten ist Hightech gefragt: Die Gewebekonstruktion soll den Autoinsassen bei einem Aufprall des Fahrzeugs nicht nur zurückhalten, sondern sich schützend dehnen.

Oerlikon Barmag und Oerlikon Neumag auf der Techtextil 2015

Der globale Markt für technische Textilien wächst deutlich, und der Fahrzeugbau steht an erster Stelle der Abnehmer. Eine Commerzbank-Studie aus dem Jahr 2014 nennt dazu interessante Zahlen: Demnach belief sich der Weltmarkt für technische Textilien (ohne Vliesstoffe und Verbundwerkstoffe) 2012 bei einem Produktionsvolumen von 22 Mio. Tonnen auf über 133 Mrd. US-Dollar und soll bis 2018 auf 160 Mrd. US-Dollar steigen. 2010, bei einem etwas kleineren Marktvolumen als 2012, nahm der Fahrzeugbau mit 23 Prozent den Löwenanteil am Umsatz ein – mit deutlichem Abstand vor dem Zweitplatzierten, Industrielösungen (17 Prozent).

Diese Rangfolge dürfte sich inzwischen kaum verändert haben. Denn die Haupttreiber in der Automobilindustrie heißen Gewichtsreduzierung und wachsende Fahrzeugproduktion, und hierzu entwickelt die Textilbranche immer mehr Innovationen. Allein in Deutschland erwirtschaften rund 50 mittelständische Textilunternehmen mit 10.000 Mitarbeitern als Automobilzulieferer einen Jahresumsatz von gut vier Milliarden Euro, heißt es in einer 2012 erschienenen Broschüre des Forschungskuratoriums Textil. Heute werden Autodächer, Karosserieteile, Teile des Interieurs wie Verkleidungen, Schalter und Bedienelemente aus technischen Textilien hergestellt. Und in den Entwicklungslabors wird an weiteren, buchstäblich schlauen Stoffen, für das Auto der Zukunft getüftelt.

Hightech für Sitzgurte
Jedoch geht es nicht nur um neue Produktideen. Wegen des enormen Preis- und Wettbewerbsdrucks in der Autoindustrie rückt vor allem die wirtschaftliche Produktion solcher Textilien bzw. deren ökonomischer Beitrag für den Fahrzeugbau in den Fokus. An dieser Stelle kann Oerlikon Barmag, führend in der Herstellung von Spinn- und Texturieranlagen für Chemiefasern, vielfältige Stärken einbringen.

Dies beginnt bei der Produktion von Garn für Sicherheitsgurte. Hier ist Hightech gefragt: Die Gewebekonstruktion soll den Autoinsassen bei einem Aufprall des Fahrzeugs nicht nur zurückhalten, sonst würde dieser durch den Gurt verletzt. Sie soll sich vielmehr dehnen und damit die auf den Körper einwirkende Kraft verringern bzw. verzögern. Bei diesem Prinzip reiben die einzelnen Fäden aneinander und geben so definiert nach. Einmal gedehnte Gurte dürfen nicht wiederverwendet werden, da sie diese Schutzwirkung verloren haben. „Die Herstellung des Gurtgarns hat darum hohe Anforderungen zu erfüllen wie Flusenfreiheit, Färbbarkeit und perfekte Spulenbildung“, erläutert Ulrich Enders, Entwicklungsleiter von Oerlikon Barmag in Remscheid.

Dies ermöglichen bis zu 8-fädige Maschinenkonzepte für die effiziente Produktion von hochfestem, flusenfreien PET-Garn mit Titern bis zu 1.500 Denier für Sicherheitsgurte. Dabei gewährleistet die spezielle SFL (Single-Filament-Layer)-Technologie einen äußerst sanften Fadenlauf mit gleichmäßiger Erhitzung und Verstreckung der einzelnen Filamente über fünf beheizte Galettenpaare. Einen ebenfalls sehr gleichmäßigen Spulenaufbau für diese Fäden sichert der neue Spulkopf WinFors. Dessen Kehrgewindewellen-Changierung eignet sich besonders gut für hohe Filament-Titer. Eine hohe Wechselsicherheit sowie konstante Fadeneigenschaften über die gesamte Spule werden auch hier durch das bewährte Gleichlauffangen erreicht. „Tests in Zusammenarbeit mit einem großen Gurthersteller können belegen, dass unsere Maschinentechnik die hohen Ansprüche dieser Anwendung erfüllt. In dieser Partnerschaft erarbeiten wir derzeit auch optimierte Lösungen zur Verwirbelung der Einzelfilamente für eine bessere Weiterverarbeitung“, informiert Stefan Becker, Senior Expert Anwendungstechnik für Technische Garne bei Oerlikon Barmag.

Mehr Polyester für Airbags
Auch für die feineren Airbag-Garne aus Polyamid oder Polyester eignet sich die beschriebene Maschinentechnik. Dabei wird die widerstandsfähige Polyesterfaser zunehmend interessant als Alternative für das inzwischen fast dreimal so teure Polyamid. „Derzeit fertigen unsere Kunden die meisten Airbag-Garne noch aus Nylon. Durch die immer größere Vielzahl der Airbag-Anwendungen und auch immer größere Systeme wie Seiten-, Kopf- oder inzwischen auch Fußgänger-Airbags rückt jedoch das preisgünstige Polyester immer mehr in den Fokus“, so Stefan Becker.

Vor diesem Hintergrund stellt die wirtschaftliche Herstellung durchaus hohe Ansprüche. Hierzu tragen Oerlikon-Barmag-Technologien bei: Bis zu 12, in besonderen Fällen auch bis zu 16 Polyester-Fäden lassen sich auf den Maschinen mit speziellen Düsenpaketen herstellen. Dabei zeichnet sich die Technik nicht nur durch hohe Produktivität und niedrigen Energieverbrauch aus, sondern auch durch Präzision. So haben Fäden für Airbags wegen der speziellen Gewebekonstruktion besonders feine Filamente und sind deshalb reibungsempfindlicher. Bei der Auslegung der Anlage wird dem durch eine spezielle Fadenführung Rechnung getragen. Unterm Strich erfüllen die Spinnmaschinen alle hohen Qualitätsstandards für die Anwendung Airbag, die wie kaum ein anderes textiles Produkt im Fahrzeugbau den Insassen höchste Sicherheit gewähren sollen. Und dies ohne Funktionsverlust in allen Klimazonen der Welt, ein Autoleben lang.

Reifencordgarne helfen sparen
Als einer von nur zwei Herstellern weltweit produziert Oerlikon Barmag auch Maschinen für HMLS-Garne (high-modulus low-shrinkage). Es handelt sich hierbei um Polyestervorprodukte, die hauptsächlich in der Reifenherstellung zum Einsatz kommen. Sie sind äußerst reißfest, verfügen aber dennoch über eine hohe Elastizität sowie Dimensions- und Temperaturstabilität. Dies ist wichtig um sicherzustellen, dass ein Reifen auch dann seine Form behält, wenn er unzureichend aufgepumpt ist und sich durch entsprechend höhere Reibung auf dem Straßenbelag stärker erwärmt. Der Cord, ein Gewebe aus verzwirnten HMLS-Filamenten, wird bei etwa 200 Grad Celsius mit dem Reifengummi verarbeitet. Er liegt zwischen mehreren Gummilagen und stabilisiert so den gesamten Autoreifen auf der Straße.

Das EvoQuench HMLS System wurde speziell für die Herstellung solcher anspruchsvoller HMLS-Garne entwickelt. Die sogenannte radiale Anblasung sorgt hierbei für eine äußerst gleichmäßige Abkühlung der Filamente nach dem Spinnvorgang. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung von Produkten mit einer sehr großen Anzahl von Filamenten und verbessert die Qualität der einzelnen Fäden. Gleichzeitig erzielt ein spezielles Luftströmungskonzept große Einsparungen: Der Luftver-brauch sinkt um etwa 65 Prozent, während sich der Energieverbrauch für das Kühlsystem im Vergleich zu konventionellen Querstromanblasungen um wenigstens 50 Prozent verringert.

Und das Oerlikon Barmag System bietet auch an anderen Stellen Komponenten mit hoher Wirtschaftlichkeit und verbraucht somit alles in allem bis zu 20 Prozent weniger Energie als vergleichbare Maschinen. Insgesamt können die Fertigungskosten beträchtlich reduziert werden. „Außerdem arbeiten wir an der Entwicklung einer neuen Technologie für die nächste Generation von HMLS-Garnen mit einer höheren Dimensionsstabilität und Festigkeiten über 7,5 cN/dtex. Dies bedeutet, dass der Garnverbrauch noch weiter sinkt und die Reifen noch leichter werden, wodurch sich sowohl der Abrollwiderstand als auch der Kraftstoffverbrauch verringern“, erläutert Andreas May.

Und HMLS- oder (hochfeste) HT-Garne mit höherer Festigkeit und mittleren Schrumpfeigenschaften werden ebenfalls für Ventilatorriemen und Schläuche eingesetzt. Ferner kommt das HT-Konzept ebenfalls bei der Herstellung von Garnen mit niedrigen Schrumpfwerten (bis 4 Prozent) für Fahrzeugplanen zum Einsatz, wobei mit dem Konzept X-SLS (sehr geringer Schrumpf) äußerst niedrige Werte von 1,5 Prozent erreicht werden können. Beide Konzepte ermöglichen hier 6- bis 8-Enden- oder 12- bis 16-Enden-Systeme.

Spinngefärbtes POY für Sitzbezüge und mehr
Automobile Lösungen bietet Oerlikon Barmag darüber hinaus im Bereich POY-Garne. So werden mit dem bewährten dynamischen Mischprinzip des 3DD-Mischers textile Garne im Herstellungsprozess bereits eingefärbt. Dieses spinngefärbte POY wird weiterverarbeitet zu lufttexturiertem Garn und eingesetzt in Sitzbezügen, Dachhimmel und Türverkleidungen.

Dabei ermöglicht das dreidimensionale, hocheffiziente Mischprinzip eine hervorragende dispersive und distributive Mischung von zum Beispiel Farbkonzentraten, Füllstoffen oder Additiven, die der Polymerschmelze zugeführt werden. Selbst kleine Mengen und Zusatzstoffe mit stark unterschiedlichen Viskositäten in einem Verhältnis von 1:100 können homogen vermischt und verteilt werden. Der Aufbau des Mischers lässt sich an verschiedene Aufgaben anpassen, wichtige Leistungsparameter wie etwa die Mischgeschwindigkeit sind gezielt auf den gewünschten Prozess einstellbar. Damit bietet das patentierte System eine erhöhte Flexibilität der Herstellung von Produkten mit Spitzenqualität.

Smarte Textilien denken im Auto mit
Die textile Zukunft des Autos erschöpft sich längst nicht mehr nur in kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) für den Leichtbau. Die Labors der Textilforschung „stricken“ bereits an smarten Textilien für den Fahrzeuginnenraum: unsichtbare elektrisch leitende Gewebe für textile Heiz- und Kühlsysteme in den Sitzen; empfindliche Textileinsätze, die Handbewegungen in Schaltsignale umwandeln; leuchtende LED-Fäden zur punktuellen Orientierung; textile Sensorik zur Bioüberwachung des Fahrers, um bedrohliche Zustände wie Übermüdung oder Stress zu signalisieren. Zur Schall-dämmung werden anstelle von Schaumstoffen neue, recyclingfähige Verbundmaterialien aus Vliesstoffen, beflockten Flächen und Membranen entwickelt. Manche Ideen nehmen sich auch die Natur zum Vorbild: So sollen spezielle Faserverbundkomponenten nach einem Aufprall einen Riss im Bauteil, quasi selbst „reparieren“ können – analog zur Selbstheilung von Knochenbrüchen.

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