Und wenn wir Sie bitten, einen Ausblick in die nahe Zukunft zu wagen?
Ich könnte mir vorstellen, dass in absehbarer Zeit organische Leuchtdioden unsere Umgebung erhellen könnten. Dann werden Oberflächen um eine weitere Funktion – die des Lichts – erweitert. Beispielsweise würden dann aus Wänden großflächige Raumbeleuchtungen. Aber auch der Einsatz von organischen Leuchtdioden in biegsamen Bildschirmen ist denkbar, und natürlich noch eine Fülle von anderen Anwendungsmöglichkeiten.
Die Entwicklung neuer Beschichtungen und der dafür nötigen Prozesse ist sehr aufwändig und damit teuer. Was heißt das für die Industrie?
Der Aufwand ist in der Tat sehr hoch, weshalb die Industrie oft nicht in der Lage ist, das alleine umzusetzen. Sie sucht die Lösung also über Kooperationen, z. B. mit Hochschulen. Viele Entwicklungen müssen auf molekularem und atomarem Niveau stattfinden; dafür ist eine breite Kompetenz in verschiedenen Bereichen erforderlich. Das will und kann sich verständlicherweise kein Unternehmen leisten.
Forschung und Industrie sollten also enger zusammen arbeiten?
Ja – und das ist auch heute schon sehr oft der Fall. Von der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten gleichermaßen. Der Schritt vom Labor bis zur Produktion ist riesig. In der Fertigung ist man mit völlig anderen Herausforderungen als im Labor konfrontiert. Den Forschungseinrichtungen fehlt es aber meist an der Infrastruktur, denn Technikumsanlagen – das sind Versuchsanlagen, die es ermöglichen, die Prozesse in Echtzeit abzubilden – sind sehr teuer. Eine Finanzierung ist also nur mit der Unterstützung der Industrie möglich.
Wie wirkt sich diese Zusammenarbeit aus?
Sie ermöglicht die frühe Gewinnung von Daten unter entsprechenden Fertigungsbedingungen und unter Einbezug des benötigten Know-hows. Das hat viele Vorteile: Beispielsweise wird die Entwicklungszeit damit enorm verkürzt, da man ein Verfahren schon frühzeitig unter realen Bedingungen testen kann. Und ist man erst einmal in der Lage, einzelne Stückzahlen in entsprechender Qualität zu fertigen, dann schafft man das auch für 100, 1’000 und viele mehr. Die Unternehmen müssen ihrerseits natürlich Interesse an einer derartigen Zusammenarbeit zeigen.
Welche Rolle spielt dabei ein Institut wie die Empa?
Die Empa ist bestrebt, Innovationen zu schaffen und trägt dazu entsprechendes Wissen und gewonnene Erkenntnisse in die Industrie. Sie erfüllt sozusagen eine Brückenfunktion zwischen akademischer Forschung und der Industrie. Das neue Coating Competence Center auf dem Empa-Areal in Dübendorf ist beispielsweise ein großer Schritt bei der verstärkten Zusammenarbeit von Forschung und Beschichtungsindustrie. In den kommenden Jahren entsteht hier in Dübendorf, auf dem Gelände eines stillgelegten Flughafens, ein Standort des ›Switzerland Innovation Park (SIP)‹, mit dem Ziel, dass Unternehmen dort ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ansiedeln können, um in enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern der Empa, der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH und anderer Institute Erkenntnisse aus verschiedenen Prozessen zu gewinnen.
Die Empa arbeitet ja mit vielen verschiedenen Unternehmen – teilweise auch solchen, die direkte Konkurrenten sind.
Das stimmt. Die Empa steht für Open Innovation – das bedeutet, Wissen aus der Forschung allen zugänglich zu machen. Die letzten Feinheiten in der Entwicklung eines Prozesses oder eines Produkts müssen dann aber beim jeweiligen Unternehmen gemacht werden. Als Empa genießen wir den Ruf höchster Professionalität – das kommt uns auch in diesem heiklen Bereich entgegen. Vertrauen spielt hier eine große Rolle und bildet die Basis für eine gute Zusammenarbeit.
Welche Vorteile hat denn eigentlich der Endverbraucher von den neuen Beschichtungstechnologien, an denen Industrie und Empa arbeiten?
Da gibt es etliche. Beispielsweise kann durch Beschichtungen die Lebensdauer eines Produkts enorm gesteigert werden. Großes Potenzial haben beispielsweise auch ›printed electronics‹, also elektronische Bauelemente, die mittels Tief-, Offset oder Flexodruckverfahren hergestellt werden. Viele Produkte könnten dadurch deutlich billiger werden. Auch im Medizinbereich ergeben sich durch Beschichtungstechnologien neue Möglichkeiten, z. B. im Einsatz von beschichteten Hochleistungskunststoffen als Implantate. Anders als herkömmliche Implantate aus Metall-Legierungen sind diese röntgenstrahlendurchlässig – so können viel einfacher als heute Untersuchungen zum Heilungsverlauf vorgenommen werden.