Technologie & Innovation
Technologie & Innovation
11
10
können, um in enger Zusammenarbeit
mit den Wissenschaftlern der Empa,
der Eidgenössischen Technischen
Hochschule ETH und anderer
Institute Erkenntnisse aus verschie-
denen Prozessen zu gewinnen.
Die Empa arbeitet ja mit vielen
verschiedenen Unternehmen –
teilweise auch solchen, die
direkte Konkurrenten sind.
Das stimmt. Die Empa steht für Open
Innovation – das bedeutet, Wissen
aus der Forschung allen zugänglich
zu machen. Die letzten Feinheiten
in der Entwicklung eines Prozesses
oder eines Produkts müssen dann
aber beim jeweiligen Unternehmen
gemacht werden. Als Empa genießen
wir den Ruf höchster Professionalität –
das kommt uns auch in diesem heik-
len Bereich entgegen. Vertrauen spielt
hier eine große Rolle und bildet die
Basis für eine gute Zusammenarbeit.
Welche Vorteile hat denn
eigentlich der Endverbraucher
von den neuen Beschichtungs
technologien, an denen
Industrie und Empa arbeiten?
Da gibt es etliche. Beispielsweise
kann durch Beschichtungen die
Lebensdauer eines Produkts enorm
gesteigert werden. Großes Potenzial
haben beispielsweise auch ›printed
electronics‹, also elektronische
Bauelemente, die mittels Tief-, Offset-
oder Flexodruckverfahren hergestellt
werden. Viele Produkte könnten
dadurch deutlich billiger werden. Auch
im Medizinbereich ergeben sich durch
Beschichtungstechnologien neue
Möglichkeiten, z.B. im Einsatz von be-
schichteten Hochleistungskunststoffen
als Implantate. Anders als herkömmli-
che Implantate aus Metall-Legierungen
sind diese röntgenstrahlendurchlässig –
so können viel einfacher als heute
Untersuchungen zum Heilungs-
verlauf vorgenommen werden.
Was macht denn eine
›gute‹ Technologie aus?
Eine gute Technologie ist in der Lage,
Bedürfnisse zu befriedigen, die man
vorher noch gar nicht kannte. Ein
passendes Beispiel dafür ist das
Mobiltelefon. Wer hätte vor Jahren
schon daran gedacht, dass es einmal
wichtig wäre, jederzeit und in jeder
Situation telefonieren zu können?
Oder mit einem Telefon zu fotografie-
Derzeit baut die Empa am Stand-
ort Dübendorf ein Beschich-
tungszentrum, das ›Coating
Competence Center‹ (CCC), auf.
An mehreren verschiedenen
Beschichtungsanlagen werden
dort neue Fabrikationstechnolo-
gien entwickelt und ausgebaut.
Neben anderen Industriepartnern
unterstützt auch Oerlikon Balzers
das CCC – mit der Plasma-
Beschichtungsanlage
INGENIA S3p.
Wissenschaftler und Ingenieure
im CCC können damit an
Anlagen forschen, wie sie auch in
der Industrie im Einsatz sind. Sie
können Prozessschritte und
Abläufe durchführen, die mit
jenen in der Produktion
übereinstimmen und diese
gleichzeitig – dank der analyti-
schen Labors der Empa – mit
den bestmöglichen wissenschaft-
lichen Verfahren analysieren.
Dadurch werden Erkenntnisse
gewonnen, die den Aufwand für
das sogenannte Up-Scaling auf
Industrieanlagen für Unterneh-
men stark reduzieren.
KOMMENTAR ZUM THEMA
Hocheffiziente
Prozesse
Dr. Helmut Rudigier, als Chief
Technology Officer bei Oerlikon
Surface Solutions beschäftigen
Sie sich seit Jahrzehnten
mit der Entwicklung neuer
Schichten. Welches sind die
Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Grundsätzlich geht es bei unseren
Beschichtungen immer darum,
hocheffiziente Prozesse zu ermög
lichen, beispielsweise durch
Verschleißschutz oder Reibungs
reduktion. Dafür wird eine Ober-
fläche mit einer Beschichtung und
allenfalls zusätzlichen Behand-
lungen gezielt verändert oder
verbessert, um den Grundkörper
vor äußeren Einflüssen zu schützen.
Dr. Gröning hat im Interview die
menschliche Haut erwähnt – das
ist ein gutes Beispiel, denn auch
sie schützt unseren Körper wie
eine ›Beschichtung
‹
vor Reibung
oder chemischen Einflüssen und
Bakterien. Unsere Schichten
wirken wie die Haut: Auch sie
schützen den Grundkörper vor
äußeren Einflüssen und ermöglichen
Anwendungen, die ohne diese
Schichten nicht möglich wären.
Wie setzt Oerlikon Surface
Solutions die eigenen und externe
Forschungserkenntnisse um?
Unsere Beschichtungen werden un-
ter anderem für Motorenkomponen-
ten verwendet, wo sie die Reibung
verringern – dadurch wird der Kraft-
stoff besser genutzt. Oder sie verlän-
gern die Lebensdauer von Turbinen
oder Industriewerkzeugen, wodurch
diese effizienter eingesetzt und Res-
sourcen geschont werden können.
Unsere neuesten Entwicklungen
gehen jedoch schon einen Schritt
weiter und ermöglichen zusätzliche
Funktionen. Ein Beispiel dafür ist
unsere ePD-Technologie, ein umwelt-
freundliches Beschichtungsverfahren
für den Chrom-Look von Kunst-
stoffteilen. Die ePD-Beschichtung
kann unterschiedliche Farbtönungen
haben, und auch licht- oder signal-
durchlässig sein – damit eröffnet
sie Designern, etwa im Automobil
bereich, völlig neue Möglichkeiten.
Und wie sehen die Schich
ten der Zukunft für Oerlikon
Surface Solutions aus?
Ein interessantes und attrakti-
ves Gebiet sind die sogenannten
›selbstheilenden‹ Schichten, die
mechanische Beschädigungen
ihrer Oberfläche selbst reparieren.
Unsere Schichtmaterialien werden in
Zukunft vermehrt über ›selfhealing‹-
Eigenschaften verfügen. Und noch
ein weiteres spannendes Feld:
Zukünftig werden ein Bauteil und
seine Schicht nicht mehr als zwei
individuelle Komponenten angese-
hen, sondern das eine ist integraler
Bestandteil des anderen. Sie spielen
abgestimmt zusammen, und eröff-
nen so neue konstruktive Möglich
keiten der Materialeinsparung.
Dr. Rudigier, wir danken für das
Gespräch!
ren? Das wurde anfangs von vielen als
komplett sinnlos angesehen, heute ist
es für uns alle ganz normal! Derartige
Entwicklungen sind immer unabsehbar.
Was würden Sie sich denn persönlich
und in Ihrer Rolle als Forschungs
treibender für die Zukunft im Techno
logiebereich wünschen?
Mein größter Wunsch ist es, dass die
Menschheit intellektuell und kulturell mit
der Technologie mithalten kann. Das
ist meines Erachtens äußerst wichtig.
Als verantwortungsbewusster Forscher
muss man sich fragen: »Was ist im
Labor möglich? Und was davon sollte
auch nach außen gehen?« Nehmen
wir das Beispiel der Lebensverlänge-
rung – ist das sinnvoll? Und wenn ja,
für wen? Mit all unseren Forschungen
und Weiterentwicklungen sind na-
türlich immer auch gesellschaftliche
Fragen verbunden. Dieser Verant-
wortung müssen sich die Beteiligten
bei jeder Innovation bewusst sein.
Dr. Gröning, wir danken für das
Gespräch!
FAKTEN & ZAHLEN
INGENIA S3p im
CCC der Empa